24.10.2011

Keine Angst vor Öffentlichkeit

Bei der Behebung von Serienfehlern setzen große Modulhersteller zunehmend auf externe Hilfe

Technisch hat sich die Solarbranche stetig weiterentwickelt. Im Service treten hingegen viele Modulhersteller auf der Stelle: Die Abwicklung von Reklamationen zieht sich häufig lange hin. Das Auftreten von Serienfehlern führte mehrfach zu PR-Desastern, weil Probleme kleingeredet wurden. Doch es gibt auch andere Beispiele. Ein Bremer Dienstleister hat sich auf die Unterstützung derer spezialisiert, die offensiv Probleme lösen möchten. Dieses Angebot wird mittlerweile so stark nachgefragt, dass man eine Solartochter gegründet hat.

Drei willkürlich ausgewählte Unternehmensmeldungen aus dem vergangenen Sommer haben auf den ersten Blick nichts mit Photovoltaik zu tun: Die Telekom AG hat »bei ihren regelmäßigen Qualitätskontrollen einen erheblichen Sicherheitsmangel beim Netzgerät SNG 7-acc festgestellt«. Der Haushaltsgerätehersteller Beko Deutschland GmbH teilt auf seiner Internetseite mit, dass im Rahmen einer Überprüfung »eine geringfügige Zunahme von Fehlern bei einigen Modellen von Kühlgeräten« festgestellt wurde. Und der niederländische Elektronikkonzern Philips berichtet über ein mögliches Sicherheitsproblem bei Reisehandhaartrocknern. Einher gehen alle drei Meldungen mit dem Angebot eines kostenlosen Tauschs betroffener Geräte.

Wer nicht gezielt nach derartigen Nachrichten sucht, wird die hier zitierten gar nicht wahrgenommen haben – es ist normal und alltäglich, dass sich an einem Produkt unvorhergesehene Mängel zeigen. Reagiert der Hersteller schnell und behebt das Problem, bleibt im öffentlichen Bewusstsein nicht einmal die Meldung haften.

In der Solarbranche – konkret: bei den Modulproduzenten – war der Umgang mit Produktfehlern bislang anders: Sie wurden gern abgestritten oder verheimlicht. Welche Folgen dies haben kann, bekamen einige Firmen in der Vergangenheit zu spüren: BP Solar löste 2006 zunächst Empörung aus, als das Unternehmen auf durchschmorende Anschlussdosen unzureichend reagierte. Der Imageschaden war so groß, dass sich zuletzt sogar die Konzernspitze des Energiemultis einschaltete. Dutzende von Zuschriften erreichten PHOTON auch nach einem Bericht über Module des französischen Herstellers Photowatt International SA, dessen Produkte von »Hotspots« – also von Hitzedefekten infolge schadhafter Lötstellen – betroffen waren, aber nur zögerlich ersetzt wurden. Inzwischen bietet kein Großhändler in Deutschland mehr Photowatt-Module an. Und die Bonner Solarworld AG schaffte es kürzlich sogar bis ins Fernsehen: Bei alten Shell-Solar-Modulen, für die Solarworld nach der Übernahme der Solarsparte des Energiekonzerns die Garantien übernommen hat, treten reihenweise Delaminationen auf. Die Erledigung von Reklamationen verlief jedoch lange Zeit schleppend und häufig zur Unzufriedenheit der Kunden. Wie hoch der Imageschaden für Solarworld ist, wird sich vermutlich erst noch zeigen.

Aus Erfahrung klug

Diese drei Firmen sind lediglich Beispiele und mitnichten Einzelfälle. Ausnahmen stellen hingegen bislang jene Fälle dar, in denen Produktionsfehler offensiv angegangen und öffentlich gemacht werden. Unter den Modulherstellern sind bislang nur sehr wenige Firmen positiv aufgefallen, worüber PHOTON dann auch teils mehrfach berichtete: die norwegische REC Solar, die amerikanische Sunpower Corporation, die japanischen Hersteller Kaneka und Kyocera sowie mit Abstrichen der Dünnschichtmodulhersteller First Solar Inc. und auch BP Solar.

Aus den bitteren Erfahrungen des ersten großen Serienfehlers hat BP Solar nämlich offenkundig gelernt und Ende 2006 eine Rückrufaktion eingeleitet, nachdem das Auftreten unzureichender Isolierung an bestimmten Modultypen festgestellt wurde. Es wurden Anzeigen in Tageszeitungen geschaltet und ausführliche Informationen an die Presse gegeben. Damit sammelte BP Solar viele Pluspunkte und schwächte den zuvor mit den defekten Anschlussdosen verursachten Ärger ab.

REC wandte sich 2008 ebenfalls an die Medien, um Anlagenbetreiber zu erreichen, deren Module von einem Leistungsabfall betroffen sein konnten. In der anschließenden Reparaturaktion wurden weltweit 300.000 Module abgebaut, ausgebessert und wieder installiert. Seinen Ruf als zuverlässiges Unternehmen hat REC mit diesem Programm gefestigt.

Sunpower hat schadhafte Zellverbinder in bereits vor mehreren Jahren ausgelieferten Modulen entdeckt und bei allen Anlagen, die ein hiervon betroffenes Modul enthalten, den kompletten Solargenerator mit Produkten neuer Bauart ausstatten lassen. Die Rückmeldungen von Installateuren, die ihren durch die Austauschaktion entstandenen Aufwand sehr großzügig entschädigt bekamen, waren ein Beispiel dafür, wie mit schneller und kulanter Regulierung aus einem Schadensfall ein positiver Werbeeffekt gezogen werden kann.

Nicht ganz so reibungslos verlief es bei First Solar. Das Unternehmen informierte seine Vertragshändler, nachdem ein Leistungsabfall nach Inbetriebnahme bei Produkten aus einem bestimmten Herstellungszeitraum festgestellt worden war. Ehe die Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt wurde, verging allerdings rund ein Jahr. Über Medien, Veranstaltungen und die eigene Internetseite hält First Solar seither alle Beteiligten auf dem Laufenden. Nichtsdestotrotz prasselte viel Kritik über den Ablauf des Modultauschs auf First Solar nieder.

Dünne Personaldecke

Wie viel Geld eine solche Rückrufaktion kostet, gilt gemeinhin als Geschäftsgeheimnis. Ein börsennotiertes Unternehmen wie First Solar muss allerdings zumindest die nötigen Rückstellungen im Geschäftsbericht ausweisen: Für die bislang als betroffen ermittelten Produktionschargen mit einer Gesamtleistung von etwa 30 Megawatt sind dies rund 32 Millionen Dollar (rund 22 Millionen Euro).
Solche Summen können kleine Unternehmen die Existenz kosten. Auch den Großen der Branche drücken sie natürlich beträchtlich auf die Margen, zumal sie offenkundig kaum irgendwo als ein erwartbares Risiko einkalkuliert werden. Die Kundendienstabteilungen sind in der Solarindustrie jedenfalls meist eher dünn besetzt. Selbst in großen Unternehmen liegt die Zahl der Mitarbeiter im einstelligen Bereich. Dies offenbart eine weiteres Problem: Die meisten Firmen wären personell nur schwer imstande, mehrere zehn- oder hunderttausend Module aus dem Markt zurückzuholen.

Für sie kommen spezialisierte Dienstleistungsfirmen wie gerufen. Die in Bremen ansässige Adler Gruppe ist ein solcher Dienstleister – und hat trotz der in ihrem Geschäft angebrachten Diskretion in der Solarbranche mittlerweile einige Bekanntheit erlangt: BP Solar, REC, First Solar und zuletzt auch Solarworld haben die Dienste von Adler in Anspruch genommen. Das ursprünglich aus dem Bereich Gebäudemanagement kommende Unternehmen hat 2010 sogar eine eigens auf diese Kundengruppe geeichte Tochter gegründet: die Adler Solar Services GmbH. Diese zählt acht der weltweit 20 größten Solarunternehmen zu ihren Kunden, sagt Firmeninhaber Tajo Adler. Namen verrät er aber nicht, sondern verweist auf Verschwiegenheitsklauseln mit den Auftraggebern. Nur die Firmen, die selbst über ihre Zusammenarbeit mit Adler sprechen oder die erlauben, dass Adler sie als Kunde nennen darf, sind daher bekannt. Auch über die Aufgaben bei einem Rückruf oder einem Reparaturprogramm darf Adler nicht sprechen. Selbst nach einer erfolgreichen Aktion wie jener von REC fließen die Informationen über den Ablauf äußerst spärlich. Im Interview auf Seite 128 äußert sich REC-Vorstand John Andersen erstmals darüber, wie der Rückruf organisiert wurde.

Adlers erster Auftrag aus der Solarbranche liegt indes bereits rund fünf Jahre zurück. Damals hatte BP Solar eine Dienstleistung in Zusammenhang mit dem Rückruf der von Isolationsfehlern betroffenen Module ausgeschrieben. Das für solche Jobs erforderliche Wissen um die Photovoltaik musste sich das Unternehmen dabei zunächst noch aneignen. »Das war eine Pioniertätigkeit«, sagt Adler-Solar-Geschäftsführer Gerhard Cunze heute. »Wir haben uns in die Aufgaben und einzelnen Prozesse hineingearbeitet und Mitarbeiter gefunden, die uns nach vorn brachten.«

Auf Empfehlung

BP Solar muss letztlich so zufrieden gewesen sein, dass das Unternehmen den Dienstleister Anfang 2009 weiterempfahl – an REC, als man dort Unterstützung bei der Reparaturaktion in Deutschland benötigte. Spätestens von da an mehrten sich die Solarkunden zusehends.

Inzwischen sind für Adler Solar 180 Mitarbeiter tätig. Ein mobiler Reparaturservice erledigt Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten vor Ort. Im Frühling weihte das Unternehmen ein Test- und Logistikzentrum in Bremen ein, in dem Modulprüfungen vorgenommen werden und 500.000 Module Platz finden – nicht nur für Schadensfälle, sondern auch für solche Kunden, die Adler Solar mit der Lagerung und Auslieferung ihrer Produkte beauftragen. Wer mag, kann den eigenen Kundendienst auch komplett an die Bremer Spezialisten auslagern. Die Unternehmen, sagt Tajo Adler, »können das alles selbst machen, aber die Auslastung ist unterschiedlich. Da wir das Leistungsspektrum dauerhaft anbieten, kann der Kunde sagen: Wir möchten dieses Angebot nutzen, aber nur dann, wenn es Bedarf gibt«.

Denn natürlich kommt es bei einem Rückruf auch darauf an, ihn möglichst schnell abzuwickeln, und auch hier lassen sich Fortschritte beobachten. BP benötigte rund drei Jahre, um schätzungsweise 120.000 Module mit 16,5 Megawatt Gesamtleistung zu prüfen, gegebenenfalls nachzubessern und wieder zu installieren. Bei REC dauerte die Reparatur von 300.000 Modulen nur noch 14 Monate. Das wäre anderswo – etwa bei Rückrufen eines Automobilherstellers – zwar immer noch ein komplett indiskutabler Zeitraum, für die Solarbranche aber darf es einstweilen noch als Fortschritt gelten. Photowatt zum Beispiel, wo man die Behebung eines Serienfehlers ohne externe Hilfe anging, hatte zunächst rund vier Jahre gebraucht, um ganze 12.000 Module auszutauschen. Ein Ende Dezember 2009 aufgelegtes Programm brachte dann etwas mehr Zug in die Sache, es wurden noch einmal 18.000 Stück zurückgeholt. Bis Jahresende will Photowatt die Aktion abschließen.

Quelle: Photon
Autoren: Ines Rutschmann, Jochen Siemer

 

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